Wie der Einkauf nie wieder mit Ihnen Katz und Maus spielt
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27. Juli 2017Herzlichen Glückwunsch! Da haben Sie aber einen dicken Fisch an der Angel. Jetzt steht die Preisverhandlung mit diesem wichtigen Kunden an. Da schicken Sie doch lieber gleich den Chef. Der zieht den Auftrag ganz sicher an Land.
Genau das ist die allgemeine Auffassung, dass der Chef doc der bessere Verhandler sei. Aber ich kann Ihnen sagen: Diese Einstellung ist ein grober Fehler!
Lassen Sie den Chef zu Hause
Nimmt der Chef nämlich selbst an der Verhandlung teil, denkt sich der Einkauf sofort: „Der hat doch mehr Spielraum, der kann leichter nachgeben und der Deal schein für den Lieferanten ja auch richtig wichtig zu sein, sonst wäre er wohl nicht dabei. Perfekt, so können wir leicht einen guten Rabatt für uns herausholen.“
Damit Sie nicht in dieses Fettnäpfchen treten, überlassen Sie dem Chef ausnahmsweise mal nicht höchstpersönlich den Vortritt, sondern verhandeln Sie ohne Ihren Entscheider. Denn in der Regel verhandelt gerade er für das Unternehmen am schlechtesten. Und das aus diesen beiden guten Gründen:
- Der Chef ist der Chef.
Denn er selbst kann weitergehend frei darüber entscheiden, welche Zugeständnisse er dem Einkauf einräumt. Wie weit er z.B. den Preis senkt, den Liefertermin nach vorne quetscht oder wie variabel die abgerufenen Stückzahlen sind.
Es liegt in seiner Entscheidungskompetenz auch große Zugeständnisse zu machen.. Genau deshalb kann er nicht sagen: „Das kann ich nicht zusagen, das erlaubt unsere Policy nicht“ – Grenzen zählen für ihn nicht, da er niemanden hat, der ihm auf die Finger klopft, wenn er vorher nicht freigegebene Zugeständnisse macht.
Und das schlimmste, genau das weiß auch der Einkauf. Das macht den Chef und Sie damit erst einmal schwach. Denn sagt der Chef: „Wenn Sie darauf bestehen, dann sind wir raus. Weiter runter mit dem Preis kann ich nicht gehen!“, klingt das vielmehr nach: „Ich will nicht.“ als nach „Ich kann nicht.“ Die Wirkung ist ganz klar beziehungsstörend. Und genau das will der Chef ja nicht riskieren. - Der Chef ist lieber der Held.
Verhandelt der Chef selbst, ist er viel stärker involviert, da er vom Ausgang der Verhandlung gefühlt direkter betroffen ist. Durch diesen Druck, der auf seinen Schultern lastet, fällt es dem Chef viel schwerer sich emotional zu distanzieren und cool zu bleiben.
Und hat der Einkauf diese Gefühlslage des Chefs durchschaut, nutzt er diese gerne zu seinen Gunsten aus. Denn seine beliebten emotionalen Argumente treffen hier direkt ins Schwarze: „Wir sind doch ein besonders wichtiger Kunde. Uns können Sie doch einen extra Rabatt geben, oder? Wollen Sie wirklich der Bad Guy sein und wegen 2% diesen Deal platzen lassen?“ Und dann passiert, was nicht passieren sollte: Der Chef wirft all seine guten Vorsätze über Bord, lenkt ein und gibt mehr Rabatt als vorher abgesprochen: „Na gut, dann machen wir’s halt …“ Denn Chefs sind lieber der Held – auch wenn sie den Auftrag zu schlechteren Preisen abschließen – als schuld daran zu sein, einen Deal platzen zu lassen.
Die letzte Instanz: der Chef
Überlegen Sie sich also im Voraus zweimal, ob Ihre Taktik, den Chef mitzunehmen, wirklich zum gewünschten Ziel führt. Denn Ihr Chef hat (erstens) immer mehr Spielraum, um (zweitens) die Verhandlung zu retten. Das können Sie noch so oft drehen und wenden – diese beiden Faktoren gehen in seiner Führungsrolle immer Hand in Hand.
Daher merken Sie sich eins: Weder die Stellung des Kunden, noch die Größe des Unternehmens oder gar des Deals entscheiden darüber, ob der Chef selbst die Verhandlung führt. Am sinnvollsten und für Sie am ertragreichsten ist es immer, die Verantwortung für die Verhandlung an einen Verhandlungsführer abzugeben und diesen mit einem klar begrenzten Mandat auszustatten. Denn dann kann dieser, im Gegensatz zum Chef, in heiklen Situationen oder bei der Forderung unzumutbarer Zugeständnisse klare Grenzen setzen: „Noch einen weiteren Rabatt? Den kann ich Ihnen jetzt nicht mehr geben, da endet mein Mandat.“
Dadurch verringern Sie die Gefahr, dass der Chef dem Kunden mehr nachgibt als im Vorfeld besprochen, aus Angst, der Einkauf könnte beleidigt abziehen.
Sollte der Chef es sich trotzdem nicht nehmen lassen, selbst bei der Verhandlung vorbeizuschauen, dann bitte als letzte Instanz. Und zwar lediglich zum Unterzeichnen des bereits ausgehandelten Vertrages und auf ein Glas Schampus.
Denn es gilt fast überall, der Chef macht die schlechtesten Preise. Deshalb merken Sie sich für die nächste Verhandlung: Der Entscheider gehört nicht (unbedingt) an den Verhandlungstisch!