Bei Win-Win gibt’s keinen wirklichen Gewinner
14. April 2016In zwei Schritten die Machtspielchen durchbrechen
28. April 2016Und daran soll der Deal jetzt scheitern? Ich kann es kaum glauben.
Da verhandelt das Unternehmen bereits seit Wochen über eine große Warenlieferung und ist sich mit dem Lieferanten auch schon beinahe einig: die Ware passt, der Preis auch, Rücknahmebedingungen und Aufteilung des Risikos sind geklärt. Und dann droht der Deal wegen der extra Frachtkosten nach Polen zu platzen.
Das kann ja wohl nicht wahr sein! Da ist der Auftrag schon fast unter Dach und Fach und dann geht er wegen solchen Peanuts in die Hose.
Kein Grund zu scheitern
Sehen Sie es einmal so: Egal ob Sie Verkäufer oder Einkäufer sind – sobald Sie am Verhandlungstisch sitzen, ist klar, dass beide Seiten den Deal haben wollen. Ein Großteil der Punkte ist ja schon geklärt und die Parteien liegen mit ihren Vorstellungen nicht zu 100 Prozent auseinander. Und gegen Ende der Verhandlungen liegen die Parteien sogar noch näher an der Einigung, weil sie sich über weitere Punkte geeinigt haben.
Doch statt sich in den letzten Punkten entgegenzukommen und den Deal kooperativ zum Abschluss zu bringen, zanken sie sich wie ein altes Ehepaar, das immer wieder die alten, schon längst begrabenen Kamellen hervorkramt. Nach dem Motto: „Ich habe bei der Mindestabnahmemenge schon nachgegeben. Ich muss immer Kompromisse für dich eingehen. Jetzt bist du mal dran!“ Irgendwie ja verständlich: Im Eifer des Gefechts liegt es eben näher, sich auf die Streitpunkte zu konzentrieren.
Selbst erfahrene Verhandler vergessen ab und an, dass es eine Einleitung zum Endspiel braucht. Und das bedeutet, dass sich Ein- und Verkäufer nicht nur auf die noch offenen Streitpunkte konzentrieren, sondern den Blick dafür haben, worin sie sich bereits einig geworden sind.
Der gemeinsame Nenner – und Teiler
Diese Blickrichtung ist das Wundermittel gegen kurz vor Abschluss scheiternde Deals. Wenn der Deal schon zu 90 Prozent steht, machen Sie sich und der anderen Seite bewusst, wie weit Sie schon gekommen sind und wie nah Sie schon beieinander liegen. Schreiben Sie es am besten auf, visualisieren Sie es idealerweise am Flipchart oder am Whiteboard. Dann sehen Sie, wie lang die Liste bereits ist. Das ist Ihr kleinster gemeinsamer Nenner – und Sie werden merken: so klein ist der gar nicht.
Erst wenn allen Beteiligten der Fortschritt klar vor Augen geführt wurde, schauen Sie sich die Streitpunkte an. Denn wenn Sie sehen, dass Sie sich in mehr Punkten einig sind, als es noch offene Punkte gibt, kriegen Sie leichter einen Knopf dran. Weil dann nämlich beide Seiten viel eher bereit sind, über ihren Schatten zu springen und einem fairen Interessenausgleich zuzustimmen. Oder auch: ihren größten gemeinsamen Teiler zu finden.
Kooperieren geht über demonstrieren
Letztlich geht es im Endspiel – der letzten Phase einer Verhandlung – nicht darum, wer machtvoller oder tougher ist, wer seine Muskeln besser spielen lässt. Nein, es geht darum, einen Interessenausgleich zu finden und zu kooperieren, damit der Deal zustande kommt.
Ich möchte es nicht erleben, dass ein Deal platzt, weil auf den 500.000-Euro-Auftrag noch 2.000 Euro Lieferkosten obendrauf kommen. Mit dem Blick auf die Gemeinsamkeiten fällt es dann leicht, die noch offenen Punkte fair aufzuteilen und vorzuschlagen: „Gut, Sie übernehmen die Frachtkosten, dafür gewähren wir Ihnen zusätzlich 0,5 % Skonto bei Zahlung binnen zehn Tagen.“
Alle happy, Deal gerettet. Geht doch!