Ihr Verhandlungspartner hat auch Leichen im Keller – Wie Sie ihn damit dingfest machen
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7. Dezember 2016So manche Verhandlung verfolgt mich bis auf die Toilette …
Die Pause bei einer Verhandlung nutzte ich wie üblich, um meinen menschlichen Bedürfnissen nachzugehen. Plötzlich ging die Tür auf und der CSO, der mir bis eben noch gegenüber saß, stürmte herein. Er checkte eine WC-Kabine nach der anderen, um sicher zu gehen, dass sich niemand sonst im Raum befand. „Passen Sie auf Herr van Eckert. Ich würde das Ding gerne mit Ihnen machen, aber Sie müssen uns noch um fünf Prozent entgegenkommen. Dann winke ich es durch.“
Da stand er nun vor mir dieser barmherzige Samariter im schwarzen Maß-Anzug, dessen Kollege mich zuvor stundenlang in die Mangel genommen und gefoltert hatte. Und brachte mich – trotz meiner 30 Jahre Berufserfahrung – ins Grübeln. Soll ich oder soll ich nicht? Will er mir wirklich helfen oder blufft er nur? Würde er den Deal auch ohne mein weiteres Entgegenkommen mit mir machen?
So oft ich dieses Bad-Guy-Good-Guy-Spielchen schon erlebt habe, es erzielt immer noch seine Wirkung. Ist es ja auch fast unmöglich, die Taktik als solche zu enttarnen. Zu viele verschiedene Gesichter.
Immunität – gibt es nicht
Ihnen wurde bestimmt auch schon einmal von Ihrem sympathischen Gegenüber eine leckere Tasse Kaffee und ein Stück schmackhafter Kuchen angeboten, während der Einkäuferschreck in Person gerade das Zimmer verlassen hat. Neben der Stärkung gab es den guten Rat „Kommen Sie uns lieber entgegen, sonst kommt der Daumendreher noch zurück.“ gratis dazu.
Und obendrauf die Verunsicherung: Alles nur ein abgekartetes Spiel? Oder steht der Auftrag wirklich auf der Kippe? Geschickt eingefädelt, sage ich da nur. Denn so bekannt diese Taktik auch ist – sie erzielt stets ihre Wirkung. Die menschliche Psyche ist eben nicht immun und leider gibt es dagegen auch keinen Impfstoff.
Klar also, dass viele Einkäufer diese Masche in der Verhandlung gerne nutzen.
Die Inkarnation des Bösen
Doch auch bei Verkäufern ist die Taktik hoch im Kurs. Schließlich ist sie ein guter Weg, den machtvollen Einkäufer ein bisschen aus dem Gleichgewicht zu bringen – zumindest für den Moment.
Instrumentalisieren Sie doch mal Ihren „bösen“ Chef im Hintergrund, der zwar gemütlich in seinem Büro sitzt, Ihnen allerdings den Kopf abreißen würde, wenn Sie zwar den Auftrag, aber eben keinen Profit mit nach Hause bringen. Ein „Ich würde Ihnen ja noch etwas Entgegenkommen, aber mein Chef reißt mir dafür den Kopf runter“ hat schon so manchen Einkäufer erweicht. Ja, in der Tat: Auch Einkäufer haben ein Herz und geben manchmal nach. Allerdings nur, wenn Verkäufer dies auch forcieren.
Oder setzen Sie auf die Inkarnation des Bösen par excellence: Juristen. Nehmen Sie Ihren Rechtsanwalt mit zur Verhandlung, der stets bekräftigt, dass das so nicht geht – dass der Vertrag so nicht zustande kommen kann. Das ist Ihre Chance – grätschen Sie dazwischen: „Das ist mir egal. Ich nehme das Risiko in Kauf. Wir machen den Deal!“ So schnell geht’s und schon sind Sie Einkäuferliebling Nummer eins.
Verhandlung entschärfen
Je öfter Sie selbst dieses Spielchen spielen, desto leichter fällt es Ihnen zumindest die Taktik des Einkaufs als solche zu erkennen. Wenn Sie also auf der Empfängerseite sitzen – die Gegenseite versucht, durch dieses Gehabe mehr bei Ihnen herauszuholen –, dann sprechen Sie es direkt an: „Nichts für ungut, aber die Taktik kennen wir schon. Holen Sie Ihren Kollegen „Daumendreher“ ruhig wieder rein und lassen Sie uns ernsthaft weiter verhandeln.“ Wie so oft in der Verhandlung: Entschärfen Sie die Situation am besten, indem Sie sie offen ansprechen.
Nur eine Frage bleibt nach wie vor offen: Bekomme ich den Deal nur, wenn ich fünf Prozent nachgebe oder ist das nur ein Bluff und die würden mir den Auftrag auch so geben? Ich weiß auch zehn Jahre nach dem herzzerreißenden Appell des CSOs noch nicht, ob ich die fünf Prozent umsonst im Klo runtergespült habe.
Deswegen: Auch wenn diese Taktik schon alt ist und Sie diese nur schwer durchschauen können, nutzen Sie sie trotzdem. Durch die verschiedenen Varianten können Sie nicht nur die nötige Abwechslung in Ihre Verhandlungen bringen und werden nicht berechenbar, Sie lernen auch mit dem Unverhofftem umzugehen.